Erleichterung aber keine Entspannung

Die Kommunalwahl in NRW ist beendet. Mit glimpflichem Ausgang für Kempen: Nur 152 Wähler*innen wählten die NPD, noch weniger (133) wollten deren Vorsitzenden Philippe Bodewig als Bürgermeister.

Bild Quelle: KRZN

Das Netzwerk Buntes Kempen hatte sich in diesem Jahr verstärkt dem Kommunalwahlantritt der NPD gewidmet und diesen problematisiert. So war dies auch ein zentrales Thema bei der Demo am Tag gegen Rassismus am 21.03. dieses Jahres.
Ferne wurde kurz vor der Wahl das NPD-Kommunalwahlprogramm noch einmal inhaltlich beleuchtet.
Dass die NPD nicht mal ein Prozent der Stimmen holen konnte, ist erfreulich, aber kein Grund zur Entspannung.
Auch weiterhin bestehen die Probleme rassistischer Beleidigungen, Bedrohungen und alltagsrassistischer Diskurse. Die Personalia der NPD werden sich trotz Wahlschlappe nicht in Luft auflösen und weiter rassistisch agieren.
Wir wollen uns auch weiterhin weiteren wichtigen Themen wie Flüchtlingen und der Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender, Intersexuellen und sich anderweitig definierenden Menschen widmen.

Es bleibt auch nach der Wahl viel zu tun beim Kampf für eine diskriminierungs- und rassismusfreie Gesellschaft!

Analyse: NPD-Wahlprogramm in Kempen (Argumente gegen rechte Hetze!)

Am 13.05.2014, also 12 Tage vor der Kommunalwahl, hat es die Kempener NPD geschafft ein so genanntes Kommunalwahlprogramm vorzustellen.  (1)
Als Netzwerk Buntes Kempen setzen wir uns nicht nur aus (berechtigten!) Abwehrreflexen gegen Rechts gegen die NPD ein, sondern wollen unsere Positionen auch inhaltlich untermauern. Deshalb an dieser Stelle auch die Triggerwarnung, für alle die sich nicht mit Primärtexten auseinandersetzen wollen: Bei dieser Analyse kommen wir nicht umhin, die Positionen, auch wörtlich, wiederzugeben.

Bei dem sogenannten „Rahmenwahlprogramm“ handelt es sich um eine in drei Spalten geteilte, doppelseitig bedruckte A4-Publikation. Warum ist das Format interessant? Nun, nur die Hälfte der sechs Spalten wir für die inhaltlichen Positionen zur Stadtratswahl überschrieben. Für die weitere Analyse werden wir uns auf die .pdf-Version beziehen und die Spalten von Seite 1 von links nach rechts mit 1, 2 und 3 und die der zweiten Seite auf gleiche Weise mit 4, 5 und 6 bezeichnen.

Spalte 1

Zu Beginn ist das Porträt des Bürgermeisterkandidaten (2) und Parteivorsitzenden Philippe Bodewig zu sehen.
Dieser begrüßt die Lesenden mit den Worten „Liebe Landsleute“ und deutet hiermit nicht nur eine Ausgrenzungsstruktur an, sondern handelt auch der später folgenden Aussage keine Stimme verschenken zu wollen zuwider, denn:
Sowohl bei Kommunalwahlen (3) als auch bei der Wahl zum Europäischen Parlament (4) dürfen Mitglieder aller Staaten der EU, so genannte Unionsbürger*innen, in Deutschland wählen.
Über Bodewigs Facebookseite, sowie die der Kempener NPD kommt es wiederholt zu rassistischen Diskriminierungen und Beleidigungen. (5)

Weiter heißt es, dass in den letzten 60 Jahren nur Überfremdung, Massenarbeitslosigkeit und sozialer Niedergang gefördert worden seien. Die Wortwahl Überfremdung greift hier klar in die Kiste klassischer rechter Rhetorik. „Überfremdung“ war bereits 1993 von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Unwort des Jahres (6) gekürt worden und wurde in vergangenen DUDEN-Versionen der Jahre 1934 und 1941 durch die nationalsozialistisch bestimmten Diskurse mit „Eindringen Fremdrassiger“ bzw. „Eindringung fremden Volkstums übersetzt. (7) Dieser begriffliche Ursprung offenbart, dass sich ein offen rassistischeres Fundament als die aktuelle DUDEN-Version „mit fremden Einflüssen durchsetzen; als fremder Einfluss in etwas beherrschend werden“ (8) verrät unter dem Begriff verbirgt und dadurch klare Ausgrenzungsmechanismen angesprochen werden sollen.
Arbeitslosigkeit und soziale Missstände werden hier genutzt um gesellschaftlichen Anschluss zu finden, indem die Rolle eines Kümmerers suggeriert wird.
Im Folgenden formuliert Bodewig, in Anlehnung an die 14 words (9) des rechten Terroristen David Lane („We must secure the existence of our people and a future for White Children. – Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern.“):  „[…] die Zukunft von uns und vor allem unserer Kinder sichern können.“
Hier sind die Parallen mehr als auffällig. Lediglich die Betonung „weiße Kinder“ fehlt auf den ersten Blick. Doch erinnern wir uns: Bodewig richtet sich in seiner Anrede explizit nur an Landsleute, worunter für ihn wohl, wie seine Angst vor „Überfremdung“ verrät, Nichtweiße nicht fallen.

Er schließt sein Anschreiben mit der Erinnerung, dass es keine Sperrklausel mehr gebe, was in der Tat zu einigen Bedenken hinsichtlich des Einzugs rassistischer Parteien in die Parlamente führt. (10)

Spalte 2

Hier finden sich in erster Linie Kontaktdaten und ein Werbeblock für die Parteizeitung „Deutsche Stimme“. Darüber prangt der Schriftzug „Einmal Kempen und zurück – Asylflut stoppen“. Damit wird das falsche Bild vermittelt, dass in Kempen übermäßig viele Flüchtlinge lebten. Dies wird noch zynisch dadurch verstärkt, dass viele Menschen, die aus Not und Elend fliehen müssen sich bei ihrer Flucht in die Fluten der Meere wagen müssen, so dass der rechte Terminus der „Asylflut“ das „volle Boot“ (11), das in den Neunzigern im Zuge des so genannten „Asylkompromisses an Bedeutung abgelöst hat.

Spalte 3

Hier ist ein Logo der Kempener NPD und das Kempener Rathaus zu sehen. Vermeintlich bedrohlich ist zu lesen: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten!„, eine vom biblichen Propheten Hosea (12) geprägte Redewendung. Nun sind zwar viele biblische Zitate als Redewendungen ins allgemeine Sprachgut übergegangen, doch ist es von zweifelhafter Intelligenz, wenn eine „Kempen – ein Ort für Nazis“ (13) propagierende Partei sich einer Schrift, die liebesbekennende Phrasen wie „Ich will Israel wie ein Tau sein, daß er soll blühen wie eine Rose“ (14) gen Israel beinhaltet, bedient.

Spalte 4

Jetzt wird es spannend, in den folgenden 3 Spalten sind die „Positionen zur Stadtratswahl“ zu lesen.
Im ersten Themenfeld widmet sich der Flyer der Arbeitsmarktpolitik.
Der Vorschlag der NPD Bürgerarbeit einzuführen, ist auch bei Thilo Sarrazins Hetzschrift „Deutschland schafft sich ab“ zu finden. Bisherige Modellversuche dieses Projekt waren stets umstritten (15) und von rechtlicher Unsicherheit geprägt, heißt es doch im Grundgesetz (16): „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“
Weiter fordert die NPD, Arbeitsplätze durch die Arbeitsagenturen bevorzugt an Deutsche zu vergeben. Eine offensichtlichere rassistische Ausgrenzung ist kaum möglich, wenn auch für Asylsuchende, die arbeiten wollen ähnliches gilt. (17) Das macht den Sachverhalt allerdings nicht besser, im Gegenteil.
Schließlich heißt es, dass Fachkräfte, die in Anführungszeichen gesetzt werden, um ihre vermeintlich geringe Qualifikation darzustellen, aus Osteuropa nicht gebraucht würden. Nun zeigt eine Studie (18), dass die Zuwandernden aus Osteuropa sehr gut qualifiziert sind und das Recht auf Freizügigkeit, eines der grundlegendsten der Europäischen Einigung (19) ist nicht an die Bedingung der Gebrauchtwerdens geknüpft. Hier wird von der NPD eine klare Verwertungslogik verfolgt, die konträr zum von ihr problematisierten sozialen Niedergang verläuft.

Der nächste Themenblock widmet sich der Kinder- und Familienpolitik.
Der bereits im Grußwort festzustellende Trend, mit der Zukunft der Kinder ausschließlich Deutsche zu meinen, verfestigt sich hier weiter. So wird ein Begrüßungsgeld von 1.000€ für jedes Neugeborene Deutsche Kind gefordert, und Wohnraum für „kinderreiche, deutsche Familien“ als notwendig dargestellt. Es ist sicherlich ein böser Zufall, dass sich der Gedanke aufdrängt im Sinne Hjalmar Schachts „Gebt dem deutschen Volk wieder Lebensraum in der Welt!“ (20) Lebensraum statt Wohnraum zu lesen und sich so an nationalsozialistische Expansionspläne (21) erinnert fühlt.

Schließlich wird auch mit internationalen Vereinbarungen, wie der UN-Behindertenrechtskonvention gebrochen und ein Ende der Inklusion gefordert. (22) Diese wird als Gleichmacherei verschmäht, was wiederum Zeugnis eines elitären Denkens gibt und an den Umgang mit Menschen mit Behinderungen im Dritten Reich zurückdenken lässt.

Raumorientierte Volkswirtschaft“ lautet der Titel des letzten inhaltlichen Punktes in der vierten Spalte, darin wird eine Stärkung des lokalen Einzelhandels gefordert, was allerdings durch die erneute Reproduktion des „Raum“-Begriffs sowie die fachlich falsche Anwendung des Volkswirtschaftsbegriffs (23) (Kempen würde kein eigener, autarker Wirtschaftsraum sondern bliebe, so sehr Stärkungen auch vorgenommen würden, stets Teil eines größeren Wirtschaftsraumes) getrübt wird.

Spalte 5

Wir verlassen nun den Bereich wohl getarnten Rechtspopulismus und betreten den Sektor des offen ausgetragenen, (antimuslimischen) Rassismus. Der Islam gehöre nicht zu Deutschland und Moscheen seien Orte der gezielten Aufstachelung. Hier wird bewusst ignoriert, dass der muslimische Glaube in Abgrenzung zu Islamismus, insbesondere Salafismus (24) keine Gefahr darstellt, sondern vielen Menschen in Deutschland einfach der religiöse Anker ist.

Der Wortlaut „Deutschland muss das Land der Deutschen bleiben“ ist eine kaum die eigentliche Bedeutung kaschierende Umschreibung der extrem rechten Parole „Deutschland den Deutschen“. In Kombination mit der Ausführung, Gästen sei es zu Eigen, dass diese wieder gehen – eine Umschreibung für „Ausländer raus“ ergibt sich daraus unserer Meinung ein Passus, der den Straftatbestand der Volksverhetzung (25) erfüllen dürfte.

Unter der Überschrift „Asylmissbrauch stoppen“ findet sich dann ein Best of der Stammtischargumente von vermeintlich höherer Kriminalität und Wirtschaftsflucht, die keine politische Verfolgung darstelle. Dies ist natürlich zu kurz gedacht und lässt völlig außer Acht, dass wirtschaftliche Verhältnisse politischem Einfluss unterliegen und dass existenzielle Bedrohungen der Lebensumstände sehr wohl legitime Fluchtgründe sind.

Spalte 6

Die letzte Spalte widmet sich mit der Kriminalitätsbekämpfung auch dem letzten der sechs Themen. Der dort genannten Zahl ausländischer Straftaten möchten wir die stets steigende Zahl von politisch rechts motivierten Straftaten, die 2013 erneut um 61 auf 3085 stieg entgegenhalten. (26)
Auch die Forderung kriminelle Ausländer abzuschieben zeigt zum einen, dass Deutsche in der NPD-Traumwelt offensichtlich keine Straftaten begehen, oder wenigstens keiner Widmung im Wahlprogramm bedürfen (obwohl gegen einen Kandidaten der Kempener NPD wegen Drogenhandels und Zuhälterei ermittelt wird (27)) und zum anderen offenbart sie erneut die darunter versteckte Forderung „Ausländer raus“.

Dazu schließen wir uns folgender Entgegnung auf ein NPD-Plakat vollumfänglich an:
Bild (28)

Zu guter Letzt solle dies dazu führen, dass die deutsche Jugend weniger abhänge.
Wir finden: Wer abhängen will, darf auch mal abhängen und freuen uns auf nach der Wahl. Dann muss nämlich die NPD ihre Wahlplakate abhängen.


Quellen:
(1) Homepage der NPD-Kempen
(2) Ratsinformationssystem der Stadt Kempen
(3) Kommunalwahlgesetz NRW §7
(4) Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland EuWG §6
(5) Mut gegen Rechte Gewalt vom 20.05.2014
(6) Gesellschaft für deutsche Sprache, Unwörter des Jahres
(7) Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus. Walter de Gruyter Berlin 2007, ISBN 3110195496, S. 615
(8) DUDEN online
(9) Anti-Defamation League
(10) ZEIT: Rechtsruck im Europaparlament
(11) Pro Asyl: 20 Jahre „Asylkompromiss“
(12) Bibel (Hos 8,7)
(13) Bericht der Antifa Hinterland zum 11. April
(14) Bibel (Hos 14,6)
(15) Bürgerarbeit – Staatlich geförderter Flop, Süddeutsche Zeitung
(16) Grundgesetz, Art. 12, Berufsfreiheit, Verbot der Zwangsarbeit
(17) Rechte der Flüchtlinge, Pro Asyl
(18) Studie, heute.de
(19) Freizügigkeit, EU Bürger
(20) Zitiert in: Kurt Böttcher u.a. (Hrsg.): Geflügelte Worte. Zitate, Sentenzen und Begriffe in ihrem geschichtlichen Zusammenhang. Leipzig 1985, S. 626
(21) Vgl. u.a. Hans-Adolf Jacobsen: Kampf um Lebensraum. Zur Rolle des Geopolitikers Karl Haushofer im Dritten Reich. In: German Studies Review 4, 1981, Nr. 1
(22) Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
(23) Definition Volkswirtschaft
(24) RP Online zum Verfassungsschutzbericht NRW 2013
(25) §130 StGB
(26) MIK NRW
(27) Bericht der Antifa Hinterland
(28) Kein Bock auf Nazis

 

Aktion zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie

Am letzten Samstag fand der alljährliche Internationale Tag gegen Homophobie mit weltweiten Aktionen statt. Zum ersten Mal gab es auch in Kempen eine vom Netzwerk Buntes Kempen initiierte Aktion. Wer sich am Samstag in der Kempener Innenstadt aufhielt, konnte nicht anders, als auf die vielfältigen dort platzierten Plakate zu stoßen. So vielfältig wie die Plakate sind, so vielfältig sind auch Liebe und Sexualität.

 Bildaktion zum IDAHO

Mit der Aktion soll ein Zeichen für mehr Toleranz gesetzt werden und zum Aufbrechen heteronormativer Gesellschaftsbilder angeregt werden. Auf den Plakaten waren Zitate („Heterosexualität ist nicht normal, es ist nur gewöhnlich“ – Dorothy Parker) und beängstigende Fakten zu Selbstmordversuchen unter homosexuellen Menschen zu lesen („Jeder 5. Homosexuelle hat schon einmal versucht sich umzubringen.“).
Das Kempener Netzwerk, das sich ohnehin als bunt versteht, betonte, dass am heutigen Tag seine bunte Farbenpracht als Regenbogen zu sehen sei.
Nicht nur heute, sondern grundsätzlich wollen wir das Bewusstsein für die Gleichberechtigung aller Menschen schärfen und dafür kämpfen, dass es keine Diskriminierungen mehr gibt.
Gegen Homo- und Transphobie, Diskriminierungsstrukturen aufdecken und bekämpfen!

Am 25. Mai ein vielfältiges, buntes Kempen und Europa wählen und homophoben Parteien keine Chance geben.

Link

Darf man Kriminelle wählen?

Für Menschen, die Werte wie Freiheit, Gleichberechtigung, Respekt und Fairness schätzen, steht die eN Pe De sicherlich nicht in den Top 3 (oder 10) Parteien für die Kommunalwahl 2014. Neben ihren menschenverachtenden Einstellungen, welche nicht einmal mit dem Grundgesetz konform gehen, wird es jetzt augenscheinlich kriminell.

Trotzdem wird diese „Partei“ in Kempen zur Wahl antreten. Und das mit mehr oder minder freiwilligen Kandidaten um die Wahllisten zu besetzen.

http://www.rp-online.de/nrw/staedte/kempen/npd-hat-die-partei-listen-zur-kommunalwahl-gefaelscht-aid-1.4195723